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„Könnten wir uns kurz committen, dass …“ – „Nein!“ – 5 Thesen für weniger Floskeln und mehr Verständnis von Andreas Keßler

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Sie finden, das klingt schrecklich? Wir auch.
Allerdings sind Business Deutsch und Büro-Anglizismen unserer Meinung nach nicht nur unfassbar nervig, sondern sogar schädlich. Sie torpedieren das produktive Miteinander in Teams und Unternehmen. Die Gründe dafür liefern die nachfolgenden fünf Thesen einschließlich fünf Tipps für weniger Floskeln und mehr Verständnis im alltäglichen Miteinander.

 

1. These: Floskeln verschleiern Inkompetenz und Defizite.

Beschwert sich der Unternehmenschef darüber, dass der „Innovation Lag“ im Unternehmen zu groß ist, so klingt dies zwar nach einer soliden Feststellung.
Letztlich verschleiert er damit allerdings, dass er selbst versäumt hat, die Optimierung des Produktes durch neue Ideen rechtzeitig voranzubringen. Das Beispiel offenbart so den größten Vorteil von Floskeln: Sie helfen, Sachverhalte zu verschleiern. Zudem können sie hervorragend über Informations- und Handlungsdefizite hinwegtäuschen.

> Tipp: Wo immer Sie das Gefühl beschleicht, dass Floskeln dazu verwendet werden, Fehler, unterlassene Handlungen oder fehlendes Wissen zu kaschieren, sollten Sie den Finger behutsam in die Wunde legen. Nachfragen, wie „Das habe ich jetzt nicht verstanden.“ oder „Können Sie das noch einmal genauer ausführen?“, können dabei Erstaunliches bewirken.

 

2. These: Floskeln sind missverständlich.

Was meint der Unternehmenschef, wenn er auf die Frage nach einer Einschätzung mitteilt: „Für eine Einschätzung fehlen mir die entsprechenden Insights.“?

Einige Übersetzungsvorschläge:

  • „Ich habe überhaupt keine Ahnung!“
  • „Ich vermisse Informationen. Informieren Sie mich besser.“
  • „Ich bin dafür nicht zuständig.“
  • „Es liegen noch keine belastbaren Zahlen vor.“
  • „Ich muss unserer PR-Agentur mehr Dampf machen.“
  • „Es ist noch zu früh, um eine verlässliche Aussage zu treffen.“
  • „Immer Ihre blöden Fragen! Das geht Sie nichts an.“

Das Beispiel zeigt also: Floskeln sind häufig sehr interpretationsoffen und damit nicht selten missverständlich. Weitere prominente Beispiele für äußerst dehnbare Floskeln sind:

  • „Dazu müssen wir erst einen Prozess ausrollen.“
  • „Der Abstimmungsprozess läuft.“
  • „Den Issue haben wir noch nicht adressiert.“
  • „Da sind wir dran.“
  • „Das habe ich notiert.“
  • „Das ist noch pending.“

> Unser Tipp: Sicherlich mag es Situationen geben, in denen es gerade als Führungskraft strategisch klug sein kann, im Unkonkreten zu bleiben. Dennoch sollten derart unspezifische Floskeln die Ausnahme bleiben. Stattdessen sollten eindeutige und verbindliche Aussagen erfolgen, die mit ihrer Klarheit helfen, Missverständnissen und Unsicherheiten vorzubeugen.

 

3. These: Floskeln schaffen Verunsicherung.

Nach dem Gespräch mit den Stakeholdern teilt der Scrum Master dem Entwicklungsteam mit: „Im Blick auf die Bucket List an offenen Anforderungen sind wir mittlerweile auf einem guten Weg. Im Blick auf den Launch des Produktes sind wir allerdings noch im Abstimmungsprozess. Ich erspare allen die Details, um niemanden zu langweilen.“

Eine wohlklingende Aussage des Scrum Masters, die mit ihrem „Management Speak“ nicht nur viele Fragen offenlässt, sondern auch die Handlungsfähigkeit des Teams enorm einschränkt. Denn was bedeutet die Aussage zur Bucket List an offenen Anforderungen konkret übersetzt in Arbeitsaufwand, User Storys oder offenen Story Points?

Wie soll das Team effektiv Prioritäten setzen, wenn Aussagen zur Deadline derart verklausuliert kommuniziert werden? Steckt hinter dem Verschweigen der Details vielleicht doch eine unschöne Nachricht, die dem Team noch vorenthalten wird?

> Unser Tipp: Wohlklingende Formulierungen sorgen nicht immer für Wohlergehen. Im Gegenteil: Sie können erhebliche Verunsicherung mit sich bringen. Daher gilt: Liefern Sie möglichst belastbare Aussagen mit konkreten Fakten und Daten. Ist dies nicht möglich, sprechen Sie offen darüber, was gerade noch ungeklärt ist. Geben Sie außerdem Impulse, wie das Team oder Ihre Kolleg*innen sich diesbezüglich verhalten können.

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4. Floskeln verhindern eine „Ergebniskontrolle“.

Spricht man mit Studienanfänger*innen, so lässt sich oft ein interessantes Phänomen beobachten: Viele Studierende versuchen, erlernte Fachbegriffe in ihren Sprachgebrauch einzubauen, um so intellektueller und eloquenter zu erscheinen.
Erst später reift die Erkenntnis, dass eine gute Fachkenntnis nicht in der Verwendung vieler Fachbegriffe besteht, sondern in der Kompetenz, fachliche Inhalte allgemein verständlich darstellen zu können.
Ein ähnliches Phänomen gibt es auch in Teams: Die Teilnehmenden einer Besprechung plappern die gehörten Inhalte und Floskeln nach. Vielleicht mag dies zwar den Eindruck erwecken, dass sie die Besprechung aufmerksam mitverfolgt haben. Eine Ergebniskontrolle darüber, ob das gemeinsam Besprochene auch tatsächlich verstanden wurde, bleibt allerdings aus. Gerade bei interdisziplinären Teams kann dies zu einem echten Problem werden. So wirkt der Entwickler zwar vielleicht sehr schlau, wenn er das Vokabular des Beraters übernimmt und davon spricht, dass er es als seine Bringschuld sieht, zukünftig mehr Prio auf eine straighte Short List zu legen, um durch versäumte Deadlines nicht mehr das ganze Team zu downen. Ob er allerdings selbst so genau weiß, was die gesagten Begriffe bedeuten, und ob alle daraus schließen können, was er nun genau vorhat, ist mehr als fraglich.

> Unser Tipp: Fragen Sie nach, wenn Sie das Gefühl haben, dass Mitarbeitende oder Kolleg*innen sich hinter Floskeln oder unpräzisen Aussagen verstecken. Oft kann dies auch unaufdringlich, auf humorvolle und empathische Art und Weise, gelingen.

 

5. Floskeln hemmen Kreativität.

Häufig gleichen sich die Mitglieder eines Teams auch sprachlich einander an.

In Teams werden also gerne die gleichen Floskeln verwendet. Das wirkt verständlich, da eine gemeinsame Sprache auch das Wir-Gefühl stärkt und schließlich niemand durch eine „externe“ Sprache aus dem Rahmen fallen will. Allerdings entsteht so auch ein sprachlicher Einheitsbrei, der die sprachliche Kreativität des Teams behindern kann.

> Unser Tipp: Teams sollten eigene Sprachgewohnheiten immer wieder selbstkritisch reflektieren. Dabei können beliebte Methoden, wie das Phrasenschwein oder ein teaminternes Bullshit-Bingo, ebenso helfen, wie Übungen, die die Sprachkreativität fördern. So könnten ähnlich wie beim Spieleklassiker „Tabu“ bestimmte Begriffe für einen gewissen Zeitraum verboten werden. Auch die Aufgabe, eine Aussage auf drei verschiedene Weisen zu formulieren, kann helfen, das eigene Sprachgefühl neu aufzufrischen.

 

Die Arbeit an einer floskelfreieren Sprache hilft so nicht nur, auf allzu abgedroschene Phrasen zu verzichten. Sie kann auch einen Beitrag dazu leisten, dass alle im Team tatsächlich von den gleichen und konkreten Inhalten sprechen. Dies wird nicht nur dem gegenseitigen Verständnis nutzen, sondern auch der Kreativität des gesamten Teams.

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