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Heißes Prognosetool (fast) ohne Verbrennungsgefahr - So nutzen Sie Burn Down und Burn Up Charts richtig von Sven Schneider

Burn Down und Burn Up Charts bieten besondere Möglichkeiten zur Visualisierung von Projektfortschritten und -zielen. Sie gehören somit zur Standardausrüstung in jedem agilen „Werkzeugkoffer“. Obwohl sie der KPI der Velocity in technischer Hinsicht sehr ähnlich sind, bieten sie – richtig angewandt – ganz eigene Chancen zur Selbststeuerung des Entwicklungsteams, aber auch zur besseren Vorausschau der Projektverläufe. 

 

Von der Velocity zu den Charts – Burn Down und Burn Up Charts kurz erklärt

Auch wenn sich Burn Down und Burn Up Charts sehr ähnlich sind, bieten sie dennoch spezifische Vorteile. Die Erstellung der Chartgrafiken ist dabei keine Zauberei.

Burn Down Chart

Das Burn Down Chart eignet sich besonders gut, um die Fertigstellungsrate eines Produktes bzw. einen Projektfortschritt zu visualisieren. Die Zeiträume können dabei variieren. Burn Down Charts funktionieren also sowohl innerhalb eines Sprints (mit der Messung des Fortschritts pro Tag) als auch innerhalb eines Projektabschnitts bzw. Meilensteins (mit der Fortschrittsmessung pro Sprint) sowie als Prognoseinstrument für den gesamten Projektzeitraum (meist ebenfalls mit der Fortschrittsbetrachtung pro Sprint).
Zur Erstellung des Charts trägt der Scrum Master in ein Diagramm auf der x-Achse die entsprechende Zeiteinheit (Tage oder Sprints) und auf der y-Achse den verbleibenden Arbeitsaufwand, i. d. R. in Story Points, nach jedem abgeschlossenen Tag oder Sprint ein. Anschließend verbindet er die eingezeichneten Punkte miteinander und visualisiert so die tatsächlich erledigten Story Points (Real Burn Down) im Projektverlauf. Zusätzlich wird auch die Velocity des Teams ins Diagramm eingezeichnet. Dadurch kann der Scrum Master abschätzen, wie viele Story Points von Sprint zu Sprint bzw. von Tag zu Tag erledigt werden. Dies ermöglicht, die Real Burn Down Linie in Form einer geschätzten Fertigstellungslinie (Estimated Burn Down) weiter zu zeichnen, indem er vom Real Burn Down für jeden Tag bzw. Sprint die durchschnittlich erreichten Story Points „abzieht“. Somit wird sichtbar, nach welchem Tag bzw. Sprint die Linie die x-Achse berührt, wann das Team also der Prognose nach alle Story Points des jeweiligen Projektzeitraums erledigt haben wird.

 

Burn Up Chart

Das Burn Up Chart ist grundsätzlich nichts anderes als ein verdrehtes Burn Down Chart. Allerdings ist beim Burn Up Chart die Angabe eines weiteren Wertes zwingend erforderlich: dem Scope, also dem Wert aller zu erledigenden Story Points. Dieser Wert ist zu Projektbeginn meist sehr unklar und kann sich zudem im Projektverlauf immer wieder verändern. Das Burn Up Chart eignet sich jedoch gut, um gerade diese Veränderungen darzustellen. Wie das Burn Down Chart arbeitet auch das Burn Up Chart mit der Real Burn Down Linie und der Estimated Burn Down Linie, allerdings geht die Kurve im Burn Up Chart nicht von oben nach unten, sondern umgekehrt von unten nach oben. Es werden also nicht die erreichten Story Points von allen zu erreichenden Story Points abgezogen, sondern einfach Sprint für Sprint aufaddiert. Besonders interessant wird das Burn Up Chart durch die Darstellung des Projektfortschritts im Verhältnis zum Scope Wert. Erhöht sich also beispielsweise der Scope, weil neue User Stories ins Projekt übernommen werden, so kann mithilfe des Diagramms leicht abgelesen werden, welche Verschiebung die neu zu erledigenden Anforderungen für den voraussichtlichen Releasetermin bedeuten.

Burn the charts

 

Welche Vorteile bieten Burn Down und Burn Up Charts?

In agilen Projekten ist der Informationsbedarf oft sehr verschieden. So sind für das Development Team vor allem Informationen zum besseren Selbstmanagement von Interesse, während sich Projektverantwortliche und Management eher für belastbare Prognosen, z. B. zum Release-Termin des Produktes, interessieren. Burn Down und Burn Up Charts bieten gute Möglichkeiten, um beiden Interessen gerecht zu werden.

  • Verlässlichkeit für den Scrum Master: Durch die Betrachtung der Abweichungen zwischen dem Estimated Burn Down und dem Real Burn Down können Probleme und die daraus resultierenden möglichen Verzögerungen auf einen Blick erkannt werden. Dadurch wird ein besseres Erwartungsmanagement möglich. Der Scrum Master kann so Abweichungen schon früh erkennen, Alternativen zur Zielerreichung mit dem Team entwickeln und genauere Prognosen abgeben.
  • Transparenz für das Team: Ist die durchschnittliche Velocity eines Teams bekannt, ist es verhältnismäßig leicht, anhand der Velocity und der noch zu erledigen Story Points den Projektfortschritt zu prognostizieren – auch ohne visuell dargestellte Charts. Dennoch kann gerade die Visualisierung in Form von Burn Down und Burn Up Charts allen Teammitgliedern transparent machen, wie viel Zeit für die Fertigstellung des Projektes gebraucht wird. Herausforderungen können so gemeinsam besser diskutiert werden. Das Wir-Gefühl wird unterstützt und eine konkretere gemeinsame Planung ermöglicht.
  • Visualisierung von Verzögerungen: Es gehört zum Alltag agiler Projekte, dass sich Anforderungen im Projektverlauf ändern. Neue User Stories lassen den Aufwand steigen und erhöhen den Scope. Gerade das Burn Up Chart eignet sich gut, um die durch den zusätzlichen Aufwand entstandenen Verzögerungen auch gegenüber Projektverantwortlichen zu dokumentieren.

 

Burn Down, Burn Up, Burn!
Aber bitte nicht die Finger verbrennen!

Wer in der agilen Produktentwicklung mit dem KPI der Velocity vertraut ist, dem sollte die Anwendung und Auswertung von Burn Down und Burn Up Charts gut gelingen. Dennoch ist es sinnvoll, im Umgang mit beiden Charts einige Fehler zu vermeiden:

  • Keine Chart-Fixiertheit: Jedes noch so gute Hilfsmittel steht in der Gefahr, vom Helfer zum Herrn zu werden. Bei allen Chancen der Charts darf es also niemals darum gehen, sich auf eine möglichst ideale Burn Down Linie zu fixieren und zu sehr an Story Points als an die dahinterstehenden Aufgaben und Personen zu denken.
  • Keine Problemanalyse primär durch Charts: Auch wenn beide Chartmodelle ähnlich der Velocity sehr verlässliche Werte bieten können, so sind Irritationen und Verzögerungen in agilen Projekten völlig normal. Scrum Master und Stakeholder sollten ihren Blick daher nicht zu sehr auf Burn Down und Burn Up Charts versteifen, um Probleme zu erkennen, sondern mit wachen Augen die Situation im Team betrachten. Mitunter können Probleme so bereits erkannt und thematisiert werden, noch bevor sie als „Knick“ im Chart sichtbar werden.
  • Kein Druckmittel: Bei allen verständlichen Wünschen nach Planbarkeit sollten Mitarbeitende nicht auf Chart-Prognosen festgenagelt werden. Das Chart bleibt ein Hilfsinstrument bei der Projektplanung, Hauptinstrument bleibt dagegen immer eine gute und enge Kommunikation im Projektteam.

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