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Customer Journey Map - Der etwas andere Reiseplan zu werthaltigen Produkten von Andreas Keßler

Was klingt besser für Sie? Ein mehrwöchiger Marathon aus Brainstorming und Meetings mit viel Kaffee, Hirnschmalz sowie der leisen Hoffnung, am Ende einen möglichst umfassenden Anforderungskatalog epischen Ausmaßes formuliert zu haben? Oder eine kreative Reise in die Situation der Menschen, deren (Arbeits-)Alltag Sie mit einem passgenauen Produkt nachhaltig erleichtern möchten?
Sie haben sich für die Reise entschieden? Eine gute Wahl, denn auf der Customer Journey, können Sie nicht nur effizientere Entwicklungsprozesse gestalten, sondern auch nachhaltigere Produkte. Damit Ihre Reise sicher zum Ziel führt, sollten ein Instrument allerdings nicht in Ihrem Reisegepäck fehlen: Ihr Reiseplan, die Customer Journey Map.


Das Erstellen der Customer Journey Map – So funktioniert's

Am Anfang eines Entwicklungsprozesses herrschen viele Unklarheiten:
Welche Fähigkeiten muss das Produkt besitzen?
Welche Zielgruppen müssen mit dem Produkt welche Aufgaben erledigen können?

Welche Kernaufgaben muss das Produkt erfüllen und welche Features sind zwar gut gemeint, blähen das Produkt aber letztlich nur auf?

In der frühen Phase des Entwicklungsprozesses bietet die Customer Journey Map die Möglichkeit, die wichtigsten Anforderungen des Produktes in Erfahrung zu bringen, indem sich das Entwicklungsteam möglichst genau in den Anwenderprozess hineindenkt, der durch das spätere Produkt verbessert werden soll.
Dabei hat sich die folgende Reihenfolge bewährt:

  1. Das Entwicklungsteam überlegt, welche Anwendergruppen es für das Produkt gibt (wie z. B. Endbenutzer oder Administratoren).
  2. Nun wird für jede Anwendergruppe möglichst kleinschrittig notiert, welche Etappen die Anwender*innen bei der Erledigung ihrer Aufgabe gehen müssen.
  3. Schließlich wird besprochen, wie positiv oder negativ die einzelnen Etappen bzw. Aufgaben von der jeweiligen Anwendergruppe wahrgenommen werden. So wird ersichtlich, welche Prozesse stark verbesserungsbedürftig sind, wo den Anwender*innen also durch das Produkt besonders viel Unterstützung angeboten werden sollte.

Wichtig: Die Customer Journey Map sollte immer für das gesamte Team visualisiert werden, um Anforderungen und Kernfunktionen für alle im Team transparent darzustellen. Dabei kann das folgende Modell helfen.

 

Die verflixte Steuer!

Die Customer Journey Map veranschaulicht am Beispiel einer Steuererklärungs-App

Costumer Journey Map - Beispiel Steuererklärung

Betrachtet man die einzelnen Etappen auf dem Weg zur Erstellung einer Steuererklärung, so könnte sich vielleicht das folgende Bild ergeben:

  1. Das Sammeln der Belege ist für den Anwender äußerst mühsam. Es besteht also dringender Unterstützungsbedarf, z. B. indem Belege mit der Anwendung direkt abfotografiert und vorsortiert werden können, sodass ein „Belegechaos“ vermieden wird.
  2. Bevor die Erklärung erstellt werden kann, müssen noch Belege nachgefordert werden, z. B. ein Nachweis zur Kapitalertragssteuer beim zuständigen Bankberater. Dieser mühsame Prozess könnte vielleicht verschönert werden, indem der Bankberater den Beleg mithilfe eines Transfercodes direkt an die Anwendung senden kann.
  3. Beim Zuordnen der Belege und der Prüfung von Optimierungsmöglichkeiten wird der Anwender dann von einem Steuerfachmann unterstützt. Die Chance, mehr Steuern sparen zu können, motiviert. Die Anwendung könnte diese Motivation stärken durch eine Visualisierung der zu erwartenden Erstattungssumme. Zugleich könnte die Zusammenarbeit intelligent vereinfacht werden.
  4. Das Absenden der Erklärung und die Vorfreude auf die nahende Erstattung motivieren besonders. Dies könnte positiv hervorgehoben werden, z. B. mit einem Timer, der zeigt, wie schnell die Steuererklärung erstellt wurde und wie hoch der daraus resultierende fiktive Stundenlohn in Relation zur erwarteten Erstattungssumme ist.

 

Ein Tool, viele Vorteile
– Chancen der Customer Journey Map

Die Erstellung einer Customer Journey Map ist weder besonders aufwendig, noch werden dafür außergewöhnliche Skills benötigt. Es genügt ein fokussierter, empathischer und analytischer Blickwechsel in die Perspektive des*der Anwender*in, der durch das spätere Produkt unterstützt werden soll. Zugleich bietet die Customer Journey Map enorme Vorteile für den Entwicklungsprozess:

  • Klarheit im Prozess: Die Customer Journey Map veranschaulicht die Reise der verschiedenen Anwendergruppen im Prozessverlauf. Diese Visualisierung kann für mehr Klarheit und ein einheitliches Verständnis im Entwicklungsteam sorgen. Dadurch kann erreicht werden, dass alle im Team von den gleichen Anforderungen sprechen. Sprachlichen und inhaltlichen Missverständnissen wird vorgebeugt.
  • Verschlankung des Produktes: Die Customer Journey Map führt unmissverständlich vor Augen, wo für den Anwenderprozess Optimierungsbedarf besteht und wo nicht. Es wird deutlich, welche Funktionen das Produkt tatsächlich enthalten muss und welche Funktionen dagegen nur ein nettes, aber aufwendiges Add-on darstellen.
    So kann sich das Team auf Kernfunktionen fokussieren, „Beiwerk“ wird konsequent auf den Prüfstand gestellt.
  • „Fehler-Früh-Erkennung“: Während bei der konventionellen Produktplanung Fehler im Prozess mitunter erst sehr spät auffallen, springen Prozessabbrüche und unlogische Prozessverläufe bei der Erstellung der Customer Journey Map sofort ins Auge. Ein aufwendiges Nachjustieren wird so vermieden.
  • Antizipation besonderer Herausforderungen: Bei der Erstellung der Customer Journey Map wird schnell deutlich, welchen Etappen eine besondere Bedeutung zukommt. Auch problematische Teilprozesse können entdeckt werden. Dadurch zeichnet sich ab, wo besondere Herausforderungen und Schwerpunkte für den Entwicklungsprozess liegen.

 

Reisende soll man nicht aufhalten, oder doch?

Hinweise für die Arbeit mit der Customer Journey Map

Die Arbeit mit der Customer Journey Map ist ebenso unkompliziert wie effektiv. Damit die Reise sicher zum Ziel führt, ist es dennoch hilfreich, einige Hinweise zu beachten:

  • Inhalt vor Darstellung: Da die Customer Journey Map ein Visualisierungstool ist, bringt sie die Versuchung mit sich, sich in einer möglichst perfekten Darstellung der Customer Journey zu verlieren. Besonders verführerisch wird dieser Reiz bei der Arbeit mit spezialisierten Tools, die sich dem Ziel einer möglichst ansprechenden Optik verschrieben haben. Die Visualisierung ist und bleibt eine Hilfe. Wichtiger als eine perfekte Darstellung ist immer die Klarheit über den Prozess und die daraus resultierenden Kernanforderungen.
  • Anwenderorientierung vor internen Prozessen: Gelegentlich spüren Entwicklungsteams den Reiz, die einzelnen Etappen der Customer Journey sofort in Anforderungen zu übersetzten und sich dadurch in einer Diskussion über teaminterne Aufgaben und Prozesse zu verlieren. Eine werthaltige Customer Journey Map lebt jedoch von der konsequenten Fixierung auf die Anwender*innen und deren Herausforderungen. Alles andere kommt später.
  • Flexibilität vor Fixierung: Auch die Customer Journey Map bleibt nur ein Hilfsmittel. Sie bietet gute Möglichkeiten, das Entwicklungsteam auf die wesentlichen Anforderungen des Produktes zu fokussieren. Doch auch sie ist nicht in Stein gemeißelt. Fallen im Verlauf des Entwicklungsprozesses Lücken in der Map auf oder zeigt es sich, dass das Produkt weitere Funktionen benötigt, sollten die daraus entstehenden Anforderungen flexibel in den Entwicklungsprozess integriert und die Customer Journey Map entsprechend aktualisiert werden.

 

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