Kpis Als  Chance 2

Liebeshochzeit statt Zwangsehe: KPIs als Chance in der agilen Produktentwicklung von Sven Schneider

Ressentiments und Halbwissen begleiten jeden Veränderungsprozess. Nicht verwunderlich also, dass sich auch die agile Produktentwicklung seit ihren Ursprüngen mit dem Vorbehalt auseinandersetzen muss, agile Arbeitsweisen hätten weder Struktur noch Rahmen und seien deshalb nur schwer mit Key Perfomance Indicators (KPIs) zu beschreiben.
Ein Irrtum! Denn KPIs spielen eine zentrale Rolle in agilen Projekten. Allerdings funktionieren sie dort nach anderen Vorzeichen als im klassischem Projektmanagement.

Wo liegen die Chancen und Grenzen von KPIs bei der agilen Produktentwicklung? Was sollte bei der Verwendung von „agilen KPIs“ beachtet werden? Welche KPIs passen besonders gut zur agilen Arbeitsweise? – Fragen, die im Zentrum dieses Beitrags stehen.

 

KPIs im agilen Kontext: doppelt relevant

Ganz gleich, ob agiles Mindset oder traditionelle Arbeitskultur: Ein Unternehmen existiert entweder nach wirtschaftlichen Kriterien – oder es existiert nicht lange. KPIs bieten diesbezüglich eine wertvolle Hilfe, um Situationen einzuordnen, Risiken zu beherrschen und tragfähige Lösungswege zu entwickeln. In agilen Prozessen kommt den KPIs sogar eine doppelte Bedeutung zu:

  1. KPIs als Controlling-Tool: Agile Entwicklungsprozesse finden nicht im luftleeren Raum statt. Sie sind wie jeder Unternehmensvorgang dem Gesetz der Wirtschaftlichkeit unterworfen. Deshalb muss auch die Effektivität von agilen Teams regelmäßig anhand von tragfähigen KPIs, z. B. zur Kostenentwicklung, evaluiert werden.
  2. KPIs als Prozessgröße: Das Ziel agiler Arbeitsprozesse ist die Entwicklung erfolgreicher Produkte in einem klar definierten Entwicklungszyklus. Damit dies gelingen kann, müssen agile Teams ihre Arbeitsweise engmaschig überprüfen und optimieren. „Agilen KPIs“ kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. Sie helfen, Schwachstellen zu erkennen und Lösungsoptionen zu entwickeln.

Dies zeigt: KPIs sind – anders als gelegentlich falsch dargestellt – keine Fremdkörper in der agilen Produktentwicklung, sondern ein selbstverständliches Instrument mit doppelter Relevanz. Dennoch sollten bei der Arbeit mit KPIs im agilen Kontext einige Besonderheiten berücksichtigt werden. 

 

„Agile KPIs“: Diener statt Herrscher

Wer im agilen Kontext KPIs anwenden möchte, sollte sich bewusstmachen, dass diese dort unter anderen Vorzeichen funktionieren. Denn im Gegensatz zum klassischen Projektmanagement, bei dem KPIs meist eine stark regulative und limitierende Rolle spielen, haben „agile KPIs“ vor allem eine unterstützende und ordnende Funktion. Diese kann vielfältige Chancen bieten:

  • Wegweiser statt Wasserfall: Stark hierarchisch verfasste Unternehmen gestalten IT-Projekte oft nach dem Wasserfallmodell. Wie beim Wasserfall ergießen sich Strukturen und Vorgaben von oben nach unten über die Projektteams und Mitarbeitenden. KPIs gleichen einem fest eingeschlagenen Grenzpfahl, der nicht zu überschreiten ist. In agilen Unternehmen sind KPIs dagegen keine Grenzpfähle, sondern Wegweiser und Orientierungshilfen, die es ermöglichen, sich des gemeinsamen Fortschritts immer wieder zu vergewissern.
  • Indikator statt Fixpunkt: Wer pedantisch auf die Einhaltung einmal gefasster KPI-Ziele setzt, wird bei der agilen Produktentwicklung wenig erfolgreich sein. Agile Prozesse sind iterativ. Ihre Stärke besteht deshalb in der regelmäßigen Überprüfung der Arbeitsprozesse. Auch die Projektziele selbst werden dabei immer wieder geprüft und ggf. angepasst. Folglich eignen sich „agile KPIs“ nicht dazu, das Team auf die Einhaltung gesetzter Ziele und Kennzahlen „festzunageln“. Vielmehr sind sie ein wichtiger Indikator für drohende Zielabweichungen.
  • Rauchmelder statt Feuerwehr: Projekte, die nach dem Wasserfallmodell angestoßen werden, können Gefahr laufen, zum kostspieligen Himmelfahrtskommando zu werden. Der Alarm wird nur ausgelöst, wenn gesetzte Kennzahlen (z. B. ein Budget) überschritten werden. Dann kann es zum Löschen aber bereits zu spät sein.
    Da agile Projekte ihren Fortschritt mit Hilfe von KPIs sehr engmaschig überprüfen, können Probleme meist sehr frühzeitig erkannt werden. So schlagen die Rauchmelder Alarm, bevor das ganze Haus in Flammen steht.

 

KPIs in der agilen Produktentwicklung: So besser nicht!

Wer KPIs zielführend in agilen Prozessen einsetzen will, sollte deren Gesetzmäßigkeiten beachten, um Fehler in der Anwendung der Kennzahlen zu vermeiden:

  • Kein Vergleichen: Da sich agile Teams je nach Projekt neu zusammenfinden und einspielen müssen, sollten KPIs nicht dazu genutzt werden, die Leistung agiler Teams miteinander zu vergleichen, auch nicht bei der Arbeit an einem gleichen Projekt oder Produkt. Denn dies würde sowohl externe Einflüsse als auch die unterschiedliche dynamische Entwicklung jedes Teams außer Acht lassen.
  • Keine Bewertung Einzelner: Was für jedes Team gilt, gilt für agile Teams im Besonderen: Teams funktionieren nur im Miteinander. Wer einzelne Teammitglieder anhand von KPIs bewerten oder vergleichen möchte, missachtet somit die Grundprinzipien der Agilität und des Respekts.
  • Keine kurzfristigen Deutungen: Im Gegensatz zum klassischen Projektmanagement werden KPIs in agilen Prozessen nicht nur langfristig, sondern auch mittelfristig ausgewertet – u. a. auch, um die Leistungsfähigkeit des Teams mithilfe der Sustainable Pace über einen längeren Zeitraum zu erhalten. Dennoch ist es nicht sinnvoll, KPIs zur kurzfristigen Interpretation der Teamperformance heranzuziehen. Kurzzeitige Leistungsabsenkungen sind auch in agilen Teams nicht ungewöhnlich.   

KPIs Als Chance

Agile Produktentwicklung: Fünf hilfreiche Kennzahlen 

Viele klassische KPIs können mit der passenden Grundhaltung in die Steuerung agiler Projekte einbezogen werden. Daneben gibt es jedoch einige KPIs, die sich für die Arbeit in agilen Teams besonders gut eignen: 

  • Velocity: Die wohl bekannteste agile Kennzahl ist ein hervorragender Indikator für die Leistungsfähigkeit des Teams. Die Velocity kann dabei sowohl kurz- als auch langfristig evaluiert werden.
  • Burn Down und Burn Up Charts: Burn Down Charts und Burn Up Charts eignen sich gut, um aufgestellte Annahmen zur Projektentwicklung zu überprüfen und die Annäherung an die Zielvorgaben zu verifizieren.
  • Strategie: Strategische Zielvorgaben und Projektfortschritt korrelieren in agilen Entwicklungsprozessen. Ohne ein klares Ziel ist keine fokussierte Arbeit am Projekt möglich. Umgekehrt müssen auch strategische Ziele immer wieder anhand des Projektfortschrittes validiert und ggf. angepasst werden.
  • Kosten: Bei der agilen Produktentwicklung kommt den Kosten eine doppelte Bedeutung zu. So müssen zum einen wie bei jedem Projekt die Gesamtkosten berücksichtigt werden, zum anderen aber auch die Kosten des späteren Produktes, die durch Veränderungen in der Projektentwicklung stark variieren können.
  • Magisches Dreieck: Zeit, Kosten und Leistung bilden die wesentlichen Eckpunkte jedes Projektes und werden deshalb auch als magisches Dreieck bezeichnet. Sie sind erfolgsentscheidend, weshalb sie vor dem Projektstart definiert und während des gesamten Projekts ständig neu jongliert werden müssen.

Sie wollen mehr über „agile KPIs“ wissen?
Im Rahmen einer Artikelserie werden wir in unserem Blog in der kommenden Zeit über Chancen, Grenzen und Anwendungsempfehlungen von KPIs im agilen Kontext berichten.
Vorbeischauen lohnt sich!

Über Sven

Noch mehr Artikel